Baby Oskar reiht sich unter die Schützen ein

Baby Oskar reiht sich unter die Schützen ein

Zusammenkunft der Generationen: Locker überboten hat der Schützenverein Wiefelstede zum 125-jährigen Bestehen in diesem Jahr die Zahl jener Mitglieder, die sich anlässlich des 100-jährigen Bestehens im Jahr 1993 zum offiziellen Gruppenfoto formiert hatten. Damals hatte der Verein 135 Mitglieder zusammenbekommen, am Wochenende waren es exakt 175. Der Verein mit seinen mehr als 600 Mitgliedern vereint dabei alle Altersgruppen.

 

Zehn Monate bis 95 Jahre – das ist die derzeitige Altersspanne im mehr als 600 Mitglieder zählenden Schützenverein Wiefelstede. Ältestes Mitglied ist Hans-Jochen Pech. Wie Baby Oskar wurde er quasi „zwangsrekrutiert“.

Nicht immer ist es die eigene Entscheidung, Mitglied im Schützenverein Wiefelstede zu werden. Oskar beispielsweise ist einfach noch zu klein dazu. 10 Monate ist er alt – und damit Jüngster im Verein. Und natürlich entschieden seine Eltern, ihn anzumelden. „Es gehört in Wiefelstede doch irgendwie dazu, Mitglied zu sein“, sagt Papa Jan Steinkamp. Oskar hat in seinem kurzen Schützenleben schon einiges erlebt. So war er mit gerade mal zwei Monaten Schlachtenbummler bei der Deutschen Meisterschaft 2017 in München. Aber auch das älteste Mitglied Hans-Jochen Pech (95) entschied 1974 nicht selbst, dem Verein beizutreten: Er wurde – beinahe – genauso „zwangsrekrutiert“ wie Oskar.

Mitgliedschaft nie bereut

War es bei Oskar die noch fehlende Fähigkeit, derart weitreichende Entscheidungen selbst zu treffen, so versperrte Hans-Jochen Pech ein öffentliches Amt jede „Fluchtmöglichkeit“. Der Dringenburger war 1974 gerade Bürgermeister der Gemeinde Wiefelstede geworden – und als solcher natürlich Vertreter der Gemeinde beim Schützenfest. Der damalige Schützenpräsident Helmut Bödeker verkündete im Festzelt lautstark, der Verein habe ein neues Mitglied bekommen – den neuen Bürgermeister eben. „Ich wusste von nichts“, erinnert sich der 95-Jährige – und hat seine Mitgliedschaft, die er dann einfach nicht mehr ablehnen konnte, dennoch nie bereut, sagt er. Allein 17 Jahre nahm er am Schützenfest als Bürgermeister teil.

Die Lebensalter von Klein-Oskar und Hans-Jochen Pech verdeutlichen: Im Schützenverein sind alle Generationen vertreten. In diesem Jahr feiert der Verein sein 125-jähriges Bestehen. Und da das Wiefelsteder Schützenfest sowieso schon ein großes und weit übers Ammerland hinaus bekannt ist, dürfte es in diesem Jahr vom 10. bis 13. August noch umfangreicher ausfallen. Dabei wird wieder für jede Generation etwas geboten.

Treue und neue Schützen (von links): Heinz Claußen (94), Christian Tapken (86), Oskar Steinkamp (10 Monate) und Hans-Jochen Pech (95).

1949 neu mitbegründet

Christian Tapken etwa will auf jeden Fall am Seniorennachmittag des Festes teilnehmen, sagt er. Der Wiefelsteder ist der einzige noch lebende Wiefelsteder Schütze, der dem Verein bei der Neugründung 1949 beitrat. „Ich war 16 damals. Wer in Wiefelstede etwas werden wollte, der musste in den Schützenverein“, erinnert sich Tapken. Mit 23 wurde der heute 86-Jährige Schützenkönig – der erste, der mit dem Kleinkalibergewehr ermittelt wurde. In seiner Familie hat die Mitgliedschaft eine lange Tradition: Sein Großvater – er hieß ebenfalls Christian – hatte den Schützenverein 1893 sogar mit begründet.

Jantje Büsselmann war mit Oskar noch gar nicht schwanger, da hatten sie und ihr Lebensgefährte Jan Steinkamp als Mitglieder des Schützenvereins Wiefelstede die Reise zur Deutschen Meisterschaft 2017 längst gebucht. „Da haben wir ihn dann einfach mitgenommen“, lacht die 26-Jährige, die seit drei Jahren Mitglied im Verein ist. Und weil dort auch alle Schlachtenbummler graue Polo-Shirts tragen, hat Oskar mit seinen zwei Monaten ein eigenes bekommen – mit dem Wappen des Schützenvereins und seinem Namen drauf. Oskar war zwar noch nicht Mitglied, „aber wir hatten die Anmeldung bereits abgegeben“, lacht die Mutter.

Papa Jan Steinkamp ist Mitglied seit seinem 10.Lebensjahr. Der 32-Jährige gehört auch zum Kanonen-Team des Vereins, das anlässlich des Schützenfestes stets wirklich ohrenbetäubende Salutschüsse mit der vereinseigenen Kanone abfeuert. Mama Jantje Büsselmann wurde 2017 nach dem Königsschießen zur 2. Hofdame gekürt: Auch die Proklamation hatte Oskar beim Königsschießen bereits mehr oder weniger hautnah miterlebt.

Und auch beim Kinderumzug am Schützenfestmontag hat er damals im Kinderwagen schon teilgenommen. Dabei tragen alle Kinder bunte Blumenstöcke, die sie auf dem Festplatz zum Abschluss des Umzugs gegen süße Tüten eintauschen können. Die Stöcke werden dann zum Schmücken des Festzelts genutzt. „In diesem Jahr sind wir natürlich mit ihm auch wieder dabei“, kündigen die Eltern schon mal an.

Mitglied Nummer 9

Heinz Claußen wird am Schützenfest nicht mehr teilnehmen. Er ist immer noch Mitglied, trat im Jahr 1950 als 17-Jähriger bei. Ebenso wie für Hans-Jochen Pech wird es für den 94-Jährigen einfach zu anstrengend. Seinen alten Mitgliedsausweis hat er immer noch: Er trägt die Nummer 9. „Zum letzten Mal war ich zum 100-jährigen Bestehen beim Schützenfest dabei“, erzählt der Wemkendorfer. Das war vor 25 Jahren. Wie die anderen Senioren im Verein bekommt Claußen zum Geburtstag aber immer noch Besuch von Vereinsvertretern – seit er 90 geworden ist, sogar jedes Jahr.

Kinder im Schützenverein – so etwas gab es zu Jugendzeiten der Senioren noch nicht. Wenn Oskar also in vielen Jahren diesen Besuch zum Geburtstag bekommen sollte, dann hätte der Verein ihn wirklich ein ganzes Leben lang begleitet.

 

Text & Bild: Claus Stölting

Quelle: NWZonline